SM-Outing: Apollonia  

Mein Outing

Mein Bewusstsein f�r meinen Sadomasochismus kam sp�t. Ich hatte keine W�rter daf�r, was ich empfand.
Daf�r habe ich mich mit dem Outing desselben etwas mehr beeilt. Es kam mir so vor, als w�rde nur das mein Leben vollst�ndig machen.
Nein, ich habe mir kein Schild umgeh�ngt: "Bin Sadomasochistin."
Ich habe mich nur nicht mehr versteckt.

Privatleben Phase 1:
Die Kinder.

Meine Kinder sind schon "gro�", als ich endlich W�rter f�r meine Sexualit�t habe. Die Ehe zum Vater meiner Kinder ist gescheitert, die Ursachen lagen nicht in meinem SM. Mein Outing bei meinem Ex-Mann spielte bei der Trennung eine untergeordnete Rolle und war eigentlich nicht wichtig.
Ich habe drei Kinder, die - jede Mutter wei�, wie normal das ist - das Leben durchaus mit ganz unterschiedlichen Augen sehen. Mein gro�er Sohn ist mir, obwohl ich stolz auf ihn bin, in seiner ganzen Lebenseinstellung am fernsten. Er nimmt meine Neigung und die Tatsache, dass Armin bei mir einzieht, am Rande zur Kenntnis. Sein Weltbild ist konservativ. Sexualit�t hat man, aber man redet nicht dr�ber. Grundlegend falsch also, ihm Gespr�che dar�ber aufzudr�ngen. Das ist bis heute so geblieben. Er nimmt meine berufliche T�tigkeit zur Kenntnis, findet, ich w�rde mit allem anderen mehr Geld verdienen und versteht nicht, dass ich es trotzdem dabei belasse. All das hat jedoch mit meiner Sexualit�t wenig zu tun. Er zog bald aus und wir beide wissen, das ist gut so.
Meine gro�e Tochter ist da ganz anders. Sie interessiert sich, wir reden dr�ber und als ich ihr vorsichtig, wie bei einem Gest�ndnis, die Karten auf den Tisch lege, sagt sie, das habe sie immer gewusst. Dass sie toleriert und wahrnimmt, was ich mit meinem Leben anstelle, beruht jedoch mehr auf ihrer Ei
nstellung zum Leben als auf ihrer Einstellung zu meiner Sexualit�t. Diese Tochter starb 2001 im Alter von 18 Jahren. Meine kleine Tochter nimmt, ohne dass wir gro�artig miteinander reden m�ssten, die Dinge gelassen und wie selbstverst�ndlich hin. In unserem Wohnzimmer schlummert seit einigen Wochen eine Peitsche vor sich hin, eine Bullwhip, viel zu schwer und unhandlich allerdings, als dass ich Lust h�tte damit zu schlagen. Um die Wahrheit zu sagen: Ich kriege das Ding kaum hoch, so schwer ist sie. Vergessen wurde sie von Freunden und ist f�r uns eher uninteressant. Die "Kleine" entdeckt sie irgendwann, nimmt sie in die Hand und l�sst sie zwei- dreimal in der Luft knallen, einfach so. "Geil!" sagt sie. Und: "Sag mal, schl�gst du Armin damit?"

Privatleben Phase 2:
Die Mitbewohner

Das Familienhaus leert sich. Der Ex-Gatte und ein Teil der Kinder wohnen nicht mehr mit mir. Um das Haus halten zu k�nnen, verwandeln wir unsere Wohnform in eine Wohngemeinschaft. Schlie�lich lebt eine Familie mit gro�en Kindern auch nicht viel anders. Es ziehen junge Leute ein, aus der Generation meiner Kinder.
F�r Armin und mich stellt sich naturgem�� die Frage, wie sprechen wir "es" an? Tun wir das �berhaupt? Noch bevor wir uns entschieden haben, tritt der Normalfall ein. Wir machen uns f�r eine Party sch�n, gehen in der gemeinsamen K�che noch einen Kaffee trinken und werden gefragt, wo wir hingehen. "Zu einer Perversenparty," sagen wir reflexartig. "Klasse Schuhe!" sagt unser veganer, autonomer Mitbewohner. "Kannst du damit auch gehen?" Irgendwann findet das Kennenlerngrillen am Vorabend der BVSM-Gr�ndung in unserem Garten statt. Da unsere kleinen, netten Mitbewohner immens politisch und weltanschaulich bewegt sind, gibt es in der Folge einige Gespr�che �ber die politischen und ideologischen Aspekte von SM. Vieles dreht sich bei diesen Gespr�chen um den Begriff der Gewalt und die Frage "Darf man �Gewalt' geil finden?" Sehr spannend f�r mich, weil ich lerne, wo die Probleme und Verst�ndnisschwierigkeiten liegen.
Als ich mich lautstark �ber die drohende Spaltung von SMart aufrege, hei�t es lakonisch: "Seid doch froh, dass ihr schon so viele seid, dass ihr euch spalten k�nnt!"
Niemals hatte ich das Gef�hl, nicht akzeptiert oder auch nur im Mindesten abgelehnt zu werden. Vor dem Hintergrund, dass Hamburger Autonome vor noch gar nicht langer Zeit erst massiv gegen eine Bondage-Veranstaltung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft vorgingen, eine durchaus bemerkenswerte Tatsache!

Privatleben Phase 3:

Als meine kleine Tochter auszog, war das f�r mich das Signal, die Stadt, in der ich so lange und von meinem Gef�hl her zu lange gelebt hatte, zu verlassen. Armin hatte sich ohnehin niemals wirklich im Ruhrgebiet zuhause f�hlen k�nnen. Wir l�sen die WG auf.
Und wohin jetzt?
In Hamburg gibt es Freunde, gute Freunde. SMer wie wir. Wieder eine WG? Ja! Hamburg hat aber kein Haus f�r uns, in das wir alle hineinpassen w�rden und das wir au�erdem bezahlen k�nnten. Also aufs Land!
Wir finden ein Haus in einem kleinen Dorf mit 363 Einwohnern, nah genug an Hamburg um am Leben der Stadt teilhaben zu k�nnen, ideal!
Der neue Nachbar zur rechten scheint uns jedoch nicht zu m�gen.
Er hat schnell herausgefunden, was f�r merkw�rdige Menschen da nebenan eingezogen sind. Eine google-Suche mit unseren Namen, die sich leicht am Briefkasten ablesen lassen, liefert ihm Futter. Aus merkw�rdigen Bemerkungen �ber die Grundst�cksgrenze hinweg schlie�en wir, dass er beabsichtigt uns zu schaden.
Unser Mitbewohner Macky, mit d�rflichen Kommunikationsstrukturen bestens vertraut, beschlie�t: Wir laden den B�rgermeister ein und treten die Flucht nach vorn an. Der B�rgermeister kommt vorbei und wir erfahren von ihm, dass er einen anonymen Aushang am Bekanntmachungskasten des Dorfes entfernt hat. "So etwas will ich nicht haben!" sagt er. Er wolle Frieden im Dorf. Das sei ja auch alles l�cherlich. "Sado-Maso-Puff in H." habe auf dem Zettel gestanden. So ein Bl�dsinn! Ein Bordell m�sse schlie�lich angemeldet werden. Und er wisse, dass wir das nicht getan h�tten. Er k�nne schlie�lich sehen, dass wir anst�ndige und nette Leute seien. Das Ganze sei zwar auch Thema bei der Gemeinderatssitzung gewesen, aber was wir in unserer Freizeit t�ten, das sei unsere Sache, bittesch�n! Uns fallen Zentner von den Schultern. Ich bin dankbar f�r so viel Normalit�t, f�r so viel gesunden Menschenverstand!
Jetzt unterst�tzen wir das Dorf durch Mitarbeit an der Homepage und an der Dorfchronik.

Berufliches:

Ich bin Freiberuflerin. Ich lebe vom Schreiben. Ich schreibe eindeutig Sadomasochistisches aber auch Werbetexte, die mit Sadomasochismus nicht das Geringste zu tun haben. Man k�nnte meinen, das macht mich freier. Aber weit gefehlt. Ich bin auf meine langj�hrigen Kunden angewiesen. Ich kann es mir nicht leisten, sie zu verlieren, weil sie mich pers�nlich und aufgrund meiner Neigung f�r "untragbar" halten. Es gibt schlie�lich Texter wie Sand am Meer!
Es gibt aber auch da langj�hrige Kontakte, die freundschaftlich werden. Ich will diese Menschen nicht bel�gen, wenn sie mich fragen: "Was machst du eigentlich sonst so?" Ich will nicht l�gen oder schweigen, wenn wir abends beim Wein zusammensitzen. Also sage ich hin und wieder die Wahrheit. Nicht immer und zu jedem. Es gibt Menschen, deren - mit Verlaub - Arschlochfaktor einfach zu hoch ist. Denen ich aufgrund ihrer Art mit anderen umzugehen zutraue, dass sie meinen Sadomasochismus zum Anlass nehmen w�rden, so mies mit mir zu verfahren, wie sie es mit jedem tun, der irgendeine "Angreifbarkeit" zeigt. Ich bin also im Kreis dieser Kunden und Kollegen teilweise sinnvoll geoutet und ich bitte diese Kollegen auch, diese Dinge nicht an die gro�e Glocke zu h�ngen, was sich in den meisten F�llen ohnehin von selbst versteht.
Der interessante Nebeneffekt ist, dass diese Menschen oft von sich aus anfangen, mit mir �ber Sexualit�t zu sprechen. Sie interessieren sich und freuen sich �ber eine kompetente Gespr�chspartnerin f�r die intimeren Bestandteile ihres Lebens. Sie atmen auf in diesen Gespr�chen. Das freut mich! Und ich selbst lerne aus diesen Gespr�chen mehr �ber mich als aus den oft immer gleichen Gespr�chen mit anderen Sadomasochisten. Und nicht nur, weil ich erkl�re, sondern auch, weil ich verstehe.
Was "Normalit�t" ist, erlebte ich k�rzlich in einem Kinderspielzeug-Laden, den ich mit einer Kollegin nach spannenden Produkten f�r einen Spielzeugkatalog durchsuchte. Sie stand hinter mir und lachte: "Das ist bestimmt was f�r dich!" Als ich mich umdrehte, hielt sie einen Kinderteppichklopfer in der Hand. Wirklich ein tolles Teil! Viel weicher und leichter als die richtigen Teppichklopfer, liegt gut in der Hand und zieht ordentlich durch. Ich habe ihn sogar geschenkt bekommen! Dankesch�n, Bettina!

F�r www.sm-outing.de
Copyright Apollonia / Simone Maresch
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