Ein kleiner Leifaden

Missbrauch des Missbrauchs

Zunächst einmal ein paar Worte an die andere Seite, wenn man so will; an diejenigen, die den Verdacht haben, dass irgendwo ein Kind missbraucht oder misshandelt wird.
Sie müssen etwas tun.
Einfach wegsehen und damit schweigend dulden heißt, sich mitschuldig machen. Zumindest moralisch.

Kinder können sich nicht wehren. Aber Sie können sich für das Kind wehren - also tun Sie etwas!

Aber zwei Ratschläge wollen wir Ihnen dabei mit auf den Weg geben.

Erstens: Schauen Sie genau hin. Manches, was in einer Situation so wirkt, als geschehe hier Ungesetzliches, lässt sich ganz einfach erklären.
Ein Beispiel: Irgendwann ist unser Jüngster auf dem Sofa eingeschlafen. Ich fürchtete die Gefahr, dass er bei einer unwillkürlichen Wendung womöglich herunterfallen könnte. Zwar nicht sehr tief und auf eine Matratze; aber ein Schreck wäre es doch. "Ich muss ihn umlegen," sagte ich da.
Ja, und jetzt überlegen Sie sich, was man aus dieser Formulierung, für sich betrachtet, machen könnte ...

Stellen Sie also sicher, dass wirklich ein Verdacht besteht - und fortbesteht; und Sie nicht nur etwas falsch verstehen.

Und zweitens: Seien Sie vorsichtig in dem, was Sie unternehmen.

Wenn Sie den Mut haben und den Eindruck, es könnte hilfreich sein, sprechen Sie vielleicht am besten erst einmal mit den Eltern. Erst wenn dies unmöglich oder gescheitert ist, sollten Sie weitere Schritte überlegen.
Denn die Eltern sind die Erziehungsberechtigten; und bevor nicht wirklich eine Straftat geschieht, hat in diesem Rahmen niemand etwas zu suchen.

Die Kripo hat Stellen, die für Gewaltprävention zuständig sind. Fragen Sie danach und wenden Sie sich dorthin. Denn die Kripo ist die Stelle, die eigentlich zuständig ist.
Überlegen Sie aber, was Sie sagen, erfinden Sie nichts hinzu.
Und wenn Sie ganz sichergehen wollen, schildern Sie erst den Fall, ohne Namen zu nennen, und geben Sie diese erst dann bekannt, wenn die Kripo den Sachverhalt tatsächlich für kritisch und untersuchungswürdig hält.

Denken Sie daran - ein übereifriger Beamter kann aufgrund von sehr wenig tätig werden. Dann gibt es ein Ermittlungsverfahren, es wird das Jugendamt eingeschaltet und das Kind landet im Heim. Vielleicht ohne jeden Anlass.
Dann sind Sie derjenige, der die psychische Schädigung zu verantworten hat, die daraus beinahe notwendig erwächst. Sie wollen ein Kind schützen - nicht eine Familie grundlos zerstören. Siehe die Vorfälle in Worms.

Passen Sie deshalb auf, was Sie sagen.
Vor allem Dritten gegenüber - schon im eigenen Interesse. Denn wenn Ihr Verdacht unbegründet ist, trifft das nächste Ermittlungsverfahren sonst vielleicht Sie; wegen Verleumdung und übler Nachrede.

Und die Betroffenen, was können die tun, wenn "es" ihnen geschieht?
Wenn man ihnen Kindesmissbrauch vorwirft? Entweder weil der oder die Betreffende denken, SM'ler sind ohnehin Kinderschänder, oder weil er vielleicht tatsächlich in echter Sorge um die Kinder ist, die bei einem SM-Paar womöglich die falschen Dinge mitbekommen.

Eine Ausgangshaltung, für die wir Verständnis haben müssen, solange die daraus folgenden Handlungen vernünftig, nachvollziehbar und fair bleiben.
Das ist eine sehr reale Gefahr, in der wir eigentlich alle schweben; ob wir uns nun öffentlich mit Namen per Internetseite outen oder ganz im Geheimen bleiben und jemand das Geheimnis doch entdeckt.

Angesichts der Vorurteile, denen SM'ler noch immer an vielen Stellen begegnen, und angesichts der Tatsache, dass einige der bei uns beliebten Praktiken an anderen Stellen, beispielsweise auf amerikanischen Pornoseiten, in Formen gezeigt werden, die selbst neutralen oder uns gegenüber positiv eingestellten Menschen und auch uns selbst zuwider sind, besteht diese Gefahr immer.
Entweder, weil wir SM'ler sind - oder weil man aus anderen Gründen etwas gegen uns hat und unsere spezielle Neigung als Waffe gegen uns einsetzt.

Das kann uns im Streit mit einem Nachbarn passieren, der nur darauf lauert, uns in einer intimen Situation zu erwischen und dann über uns herzuziehen oder uns sogar anzuzeigen; es kann ein Scheidungskrieg sein, wo im Streit um die elterliche Sorge und das Umgangsrecht sexuelle Vorlieben als Argumente herbeigezogen werden. Es kann uns ein puritanischer Eiferer bekehren wollen und dazu den Anruf bei Jugendamt und Kripo als Mittel einsetzen, und es kann, wie wir gesehen haben, selbst in der Schule zu Konflikten kommen.

Was tun wir dann, wie reagieren wir?

Auf jeden Fall sollten wir nicht passiv bleiben; selbst wenn man im ersten Moment wie vom Donner gerührt ist.
Es ist sinnvoll, sich vielleicht ein, zwei Tage Zeit zu geben, den ersten Schock zu überwinden und sich über die Wege einig zu werden, die man als nächstes beschreitet - aber danach müssen Sie handeln.

Das Problem ist, dass man diese kurze Überlegenszeit nicht immer bekommt.
Manch ein unangenehmes Gespräch mit Nachbarn, Lehrern oder gar gleich mit der Kripo oder dem Jugendamt kommt überraschend - und dennoch müssen Sie reagieren.

Hier hilft es, wenn man sich mit dem Gedanken zumindest einmal befasst hat, dass die Kombination Erotik, gerade SM und Nachwuchs in unserer nicht überall aufgeklärten und toleranten Gesellschaft oft genug unselige Rückschlüsse auslöst.
Überlegen Sie sich vorher, ob Sie sich dieser Gefahr aussetzen.

Wollen Sie das nicht, verzichten Sie lieber auf Ihre Internetseite und verbergen Sie Ihre SM-Vorliebe; treten Sie nur anonym auf.
Das wird nichts dazu beitragen, das Vorurteil in absehbarer Zeit aus der Welt zu schaffen, und wenn es dennoch ans Licht kommt, ist automatisch die Vermutung da, Sie hätten etwas zu verbergen.
Dennoch, es ist eine Möglichkeit, die man in Betracht ziehen muss.

Wobei allerdings das Geheimbleiben nie eine sichere Sache ist. Zumindest solange nicht, wie es auch nur einzelne Menschen gibt, die darum wissen.
Gerade in Scheidungskriegen wird unter Umständen ja von dem eigenen Partner, mit dem man SM ausgelebt hat, versucht, einem daraus einen Strick zu drehen.

Unabhängig davon - lassen Sie es sich jetzt, wo es nicht darauf ankommt, einmal durch den Kopf gehen, wie Sie reagieren würden, wenn man Ihnen Kindesmissbrauch vorwirft.
Sorgen Sie so dafür, dass der Schock eines solchen Verdachts Sie nicht lähmt.
Spielen Sie eine solche Situation einfach einmal in Gedanken durch; das hilft.

Bleiben Sie ruhig.
Einem nervigen Nachbarn können Sie noch sehr ausdrücklich erklären, er solle bleiben, wo der Pfeffer wächst; einem Lehrer, einem Kripobeamten nicht.

Kooperieren Sie - denn Sie haben nichts zu verbergen.
Auch wenn das leidige Vorurteil nicht auszurotten ist, es gibt an allen Stellen vernünftige Menschen.

Wenn das Erschrecken Sie sprachlos macht, sagen Sie das - dafür hat auch die Kripo Verständnis.
Bitten Sie um Überlegungszeit, einen neuen Termin.

Aber bleiben Sie ruhig.
Beschimpfungen und Hysterie helfen nicht nur nichts; Sie schaden.

Und überlegen Sie - es ist gut, dass die Polizei sich um solche Fälle kümmert, denn die Kinder selbst sind hilflos und brauchen Menschen, die sich um ihre Belange kümmern.
Sie selbst aber haben nichts gemacht, und das wird sich so auch bald aufklären.
Je ruhiger und kooperativer Sie sind, desto schneller.

Lassen Sie sich Namen, Telefonnummern, Aktenzeichen geben, damit Sie notfalls alles für einen Anwalt bereit haben.
Sie können natürlich auch gleich einen Anwalt einschalten; diese Entscheidung sollten Sie von Ihrem eigenen Gefühl abhängig machen und davon, ob Sie den Menschen trauen, die Ihnen gegenübersitzen. Falls man Sie gleich als Beschuldigten vernimmt, ist ein Anwalt immer sinnvoll, denn dann besteht konkreter Tatverdacht, aus welchen Gründen auch immer, und den müssen Sie entkräften.
Vielleicht ist es aber nur ein informelles Vorgespräch, und das geht auch ohne Anwalt. Da ist sogar die Gesprächsbereitschaft ein gutes Zeichen.
Auch beim Jugendamt kann man Vorgespräche gut allein führen; hat das Jugendamt jedoch bereits eingegriffen, sind beispielsweise die Kinder im Heim, geht nichts ohne Rechtsbeistand.
Und wenn es um eine Scheidung geht, sind Sie ohnehin anwaltlich vertreten - das können Sie nutzen.

Sobald Sie das Gespräch hinter sich haben, holen Sie tief Luft.
Und dann überlegen Sie.

Hat Sie jemand angezeigt? Wie viel Anlass und Grund hatte er dafür? Ist es taktisch sinnvoll, eine Gegenanzeige zu erstatten, wegen falscher Anschuldigung, übler Nachrede, Verleumdung?
Rechtlich können Sie das immer in Betracht ziehen, taktisch ist es nicht immer der erste oder beste Schritt.

Bieten Sie beim Jugendamt selbst ein ausführliches Gespräch an, wenn man dies nicht ohnehin von Ihnen fordert.
Bereiten Sie sich auf das Gespräch gut vor, sammeln Sie schriftliches Material, das Sie in Kopie mitbringen, das belegt, was SM wirklich ist, und überlegen Sie gut Ihre Argumentation.

Ihr Intimleben ist Ihre Sache; solange Sie Ihre Kinder in keiner Weise mit hineinziehen, geht es niemanden etwas an, was Sie machen.
Auch die Aufklärung ist Ihre Angelegenheit und nicht die des Staates. Wenn Sie Ihre Kinder dabei nicht überfordern und belasten, wenn Sie sich an deren Entwicklungsstand orientieren, darf sich niemand einmischen.

Wenn es um einen Fall in der Schule geht: Drängen Sie beim Schulleiter auf restlose Aufklärung, und auch auf saubere Akten, in denen nicht etwa ein haltloser Vorwurf dennoch jahrelang mitgeschleppt wird.
Schalten Sie notfalls die Schulaufsicht ein, das Schulamt, und drängen Sie schriftlich auf Tätigkeit, am besten mit Fristsetzung. Es gibt außerdem noch ein Oberschulamt, falls man Sie auch dort hängen lässt.

Überlegen Sie vielleicht den Besuch einer Parallelklasse oder gar einer anderen Schule.
Klatsch ist eine Klette - da kann es sein, dass eine Parallelklasse keine ausreichende Entfernung von der Situation schafft. Wenn die Atmosphäre einmal durch entsprechende Dinge belastet ist, lässt sich dies nicht immer folgenlos bereinigen.
In einem solchen Fall dürfte die staatliche Zustimmung zum Schul- oder Klassenwechsel relativ leicht zu erhalten sein.

Die Einschaltung eines Vermittlers für ein Gespräch darüber sollten Sie nicht nur erwägen, sondern ausdrücklich fordern.
Dies kann der Schulleiter selbst sein; oder, wenn es auch in diesem Bezug Probleme gibt, ein anderer Lehrer; der stellvertretende Schulleiter beispielsweise.

Achten Sie darauf, dass Sie, wo auch immer es dazu kommt, sämtlichen Akten und Unterlagen kennen, die in Zusammenhang mit einem entsprechenden Vorwurf existieren (Sie haben in nahezu allen Fällen das Recht auf Akteneinsicht, wenn dies auch manchmal nur über einen Anwalt möglich ist, zB bei der Staatsanwaltschaft), und bestehen Sie darauf, dass dort auch vermerkt ist, der Vorwurf ist unberechtigt.

Haben Sie ein scharfes Auge, wie sich die Gerüchte, die mit solchen Situationen meistens verbunden sind, auf Ihr Kind auswirken.
Mobbing in der Klasse ist nicht selten, wenn der Lehrer einen Schüler ausgrenzt, auch wegen Differenzen mit den Eltern.

Greifen Sie ein.
Sprechen Sie mit dem Lehrer (sofern möglich) und der Schulleitung, mit den Elternsprechern oder anderen Lehrern, der schulpsychologischen Beratungsstelle. Bleiben Sie hartnäckig, bis Sie jemanden finden, der Verständnis für Ihre Situation hat und bereit ist zu helfen.
Sorgen Sie notfalls für ausreichende psychologische Betreuung Ihres Kindes in einer solchen Lage.

Diese Gerüchte, die beinahe notwendig in einer derartigen Situation umherschwirren, treffen natürlich auch Sie als Eltern.
Sie kennen das - Sie merken genau, es wird über Sie geredet, und das Gespräch verstummt, sobald Sie in die Nähe kommen. Man grüßt Sie nicht mehr oder besonders eifrig, man beobachtet Sie.

Gegen eine solche schleichende "Vergiftung" sind Sie leider weitgehend machtlos.
Es sei denn, Sie ergreifen die Initiative und gehen selbst offen mit dem Thema um, sprechen es von sich aus an, berichten, was Ihnen widerfährt. Das bildet zumindest ein gewisses ausgleichendes Gegengewicht gegen boshaften Klatsch; und manch einer Klatschbase wird es auch recht nachhaltig die Freude am Tuscheln verderben.
Eine der Waffen bei Klatsch ist das Schweigen der Betroffenen, die sich schämen oder aus sonstigen Gründen nicht über das reden wollen, was geschieht.
Dieser Waffe können Sie die Spitze brechen.

Das erfordert Mut.
Andererseits - was haben Sie zu verlieren? Wenn man Ihnen Missbrauch nachsagt, haben Sie das Recht, dem entgegenzutreten. Und wenn ohnehin über Sie geredet wird, können Sie auch mitreden.
Schlechter wird die Situation dadurch gewiss nicht.
Und meistens erleben Sie in diesem Zusammenhang an manchmal überraschenden Stellen Mitgefühl, Verständnis und Unterstützung.

Suchen Sie zu Ihrer eigenen Erholung das Gespräch mit Menschen, die auf Ihrer Seite sind.
In einer solch ungeheuer belastenden Situation muss man sich einfach auch einmal ausheulen.

Genau dies und mehr bietet im übrigen in der Regel bei Problemen im Schulbereich auch der schulpsychologische Beratungsdienst der Oberschulämter. Dort ist man für Sie da, und dort ist man disziplinarisch unabhängig von der Schule.
Und dort sitzen Menschen, die wissen, was Betreuung heißt und die oft genug auch praktisch weiterhelfen.

Informieren Sie vielleicht selbst das Jugendamt, sofern das nicht bereits eingeschaltet wurde, denn wenn das noch nicht der Fall war, kann es noch kommen - und so können Sie vielleicht Schlimmeres verhindern.

Und denken Sie vor allem auch an Ihr Kind.
Die Situation belastet Sie - aber ebenfalls und ganz besonders Ihr Kind. Und selbst wenn Sie kein Wort sagen - Kinder bekommen meistens viel mehr mit, als man glauben sollte.
Nehmen Sie darauf Rücksicht. Sprechen Sie mit dem Kinder- oder Hausarzt, suchen Sie einen Psychologen auf, der Unterstützung leisten kann.
Und der auch, falls es hart auf hart kommt, gutachterlich bestätigen kann, Ihr Kind wurde nicht missbraucht oder misshandelt.

Vorsicht: In einer solchen Situation sind die Nerven oft zum Zerreißen angespannt, und die Gefahr von Auseinandersetzungen innerhalb der Familie allein aufgrund der Anspannung ist hoch.
Machen Sie sich das bewusst - und gehen Sie dagegen an.
Denn es gibt nichts, was in einer solchen Situation so hilft wie der familiäre Zusammenhalt.

Leider kann man kaum allgemeingültige Ratschläge für alle Situationen geben, denn die sind völlig unterschiedlich, und so sind auch unterschiedliche Lösungen angebracht.

Was Sie oben finden, ist nur ein Ausschnitt, der Anregungen und erste Hilfen geben soll.

Wenn Sie nicht weiter wissen, fragen Sie jemanden. Möglichst eine neutrale Person, die nicht an der laufenden Auseinandersetzung beteiligt ist. Den bereits erwähnten schulpsychologischen Beratungsdienst, einen Anwalt, andere Betroffene, oder vielleicht auch nur jemanden aus der Liste von möglichen Ansprechpartnern unten.

Wir hoffen, dass dieser Artikel nicht gebraucht wird.
Aber wir haben ihn geschrieben, damit andere vielleicht nicht ganz so hilflos dastehen, wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, wie dies bei uns der Fall war.

Eine Liste möglicher Ansprechpartner:

Anke - anke@bdsm-owl.net
Snake - whip@snakebitelove.de
Frank frank@sm-base.de und Martina martina@sm-base.de
Wolf - aragorn-ffm@gmx.de
Micha - michaelds@arcor.de
Maya - meike-angela@czajka.org
Irena und Hermann - circle@circle.de

Weitere Ansprechpartner sind da, wollen aber nicht genannt werden.
Bitte im Zweifel immer bei Irena und Hermann nachfragen - vielleicht können wir auch weitere Kontakte herstellen.

Wir danken all den Menschen, die sich bereiterklärt haben, anderen in solch kritischen Situationen hilfreich zur Seite zu stehen; und sei es nur als empathischer Zuhörer.
Die genannten Ansprechpartner sind nicht alle Betroffene oder ehemals Betroffene, und sie haben nicht alle Kinder.

Aber sie sind alle SM'ler, die ein Auge für die Probleme anderer haben und aktiv, praktisch Solidarität zeigen.